So funktioniert die Fortschreibung und Nachfeststellung

Sollten sich in der Zeit zwischen zwei Hauptfeststellungen Änderungen ergeben, die sich auf den Grundsteuerwert oder die Steuermesszahl bzw. den Steuermessbetrag auswirken, wartet das Finanzamt nicht bis zum nächsten Hauptfeststellungszeitpunkt, um die Werte anzupassen. Mit der Fortschreibung bzw. der Nachfeststellung kann es zeitnah reagieren. Der Grundbesitzer hat hier aber auch seine Pflichten.

Drei Arten der Fortschreibung

Ein Feststellungsbescheid über den Grundsteuerwert besteht eigentlich aus drei verschiedenen Feststellungen. Das Finanzamt stellt fest:

  • Höhe des Grundsteuerwerts
  • Art der wirtschaftlichen Einheit (Grundstücksart)
  • Zurechnung

Dementsprechend sieht das Gesetz drei Fortschreibungen vor:

  • Wertfortschreibung
  • Artfortschreibung
  • Zurechnungsfortschreibung

Wenn sich der Wert des Grundstücks ändert: Wertfortschreibung

Eine Wertfortschreibung erfolgt, wenn der aktuelle Grundstückswert von dem Wert zum Zeitpunkt der letzten Hauptfeststellung um mehr als 15.000 Euro abweicht (§ 222 Abs. 1 BewG).

Auslöser für eine Wertfortschreibung können sein:

  • An- und Umbauten, die die Wohn- bzw. Nutzfläche erhöhen.
  • Ein Gebäude wird stark beschädigt und dadurch nicht mehr nutzbar oder ganz zerstört.
  • Für das Grundstück gilt ein anderer Bodenrichtwert.

Beispiel

Das 600 qm große Grundstück ist im Bebauungsplan der Gemeinde als Gartenland ausgewiesen. Bei der Hauptfeststellung zum 1.1.2022 wird der entsprechende Bodenrichtwert von 80 Euro/qm zugrunde gelegt. Daraus ergibt sich ein Grundsteuerwert von 48.000 Euro.

Zum 1.1.2026 ändert die Gemeinde den Bebauungsplan, das Grundstück zählt nun als Bauland. Dafür ist ein Bodenrichtwert von 300 Euro/qm maßgebend. Der neue Grundstückswert beträgt demnach 180.000 Euro (= 600 qm × 300 Euro/qm).

Das Finanzamt darf mit einer Wertfortschreibung eine neue Bewertung vornehmen und den höheren Grundsteuerwert für die Berechnung der Grundsteuer zugrunde legen, da der aktuelle Grundstückswert von dem Wert zum Zeitpunkt der letzten Hauptfeststellung um mehr als 15.000 Euro abweicht.

Wenn sich die Art des Grundstücks ändert: Artfortschreibung

Ändert sich die Art des Grundstücks, nimmt das Finanzamt eine Artfortschreibung vor und stellt den Grundsteuerwert neu fest. Voraussetzung ist allerdings, dass die neue Feststellung von der zuletzt getroffenen Feststellung abweicht und dies für die Besteuerung von Bedeutung ist (§ 222 Abs. 2 BewG).

Die Art des Grundstücks ändert sich zum Beispiel in diesen Fällen:

  • Aus einem Zweifamilienhaus wird ein gemischt genutztes Grundstück.
  • Teileigentum wird in ein Einfamilienhaus umgewandelt.
  • Ein Geschäftsgrundstück wird zu einem Mietwohngrundstück umgebaut.

Beispiel

Der Eigentümer eines Zweifamilienhauses, dessen Wohnungen er bisher als Ferienwohnungen vermietete, baut das Gebäude um, damit er es zukünftig als Einfamilienhaus für sich und seine Familie nutzen kann.

Das Finanzamt nimmt in diesem Fall eine Artfortschreibung vor.

Änderung der Eigentumsverhältnisse: Zurechnungsfortschreibung

Bei der Zurechnungsfortschreibung reagiert das Finanzamt auf Änderungen der Eigentumsverhältnisse. Diese sind deshalb bedeutsam, weil sich dadurch die Person des Steuerschuldners ändert und eine Neufestsetzung des Grundsteuerwerts erforderlich wird (§ 222 Abs. 2 BewG).

Hauptanwendungsfälle für eine Zurechnungsfortschreibung sind:

  • Verkauf des Grundbesitzes
  • Erbschaft
  • Alleineigentum wandelt sich in Miteigentum
  • Miteigentumsverhältnisse ändern sich

Beispiel

Der bisherige Grundstückseigentümer verstirbt. Seine beiden Kinder erben das Einfamilienhaus als Miteigentümer und sind damit die neuen Schuldner der Grundsteuer. Das Finanzamt erlässt wegen der geänderten Zurechnung neue Feststellungsbescheide bezüglich des Grundsteuerwerts.

Wann muss und wann kann eine Fortschreibung vorgenommen werden?

Die Art- und Zurechnungsfortschreibung soll eigentlich nur vorgenommen werden, wenn die zugrunde liegenden Änderungen „für die Besteuerung von Bedeutung“ sind (§ 222 Abs. 2 BewG).

Allerdings: Liegen die Voraussetzungen für eine Fortschreibung vor, ist das Finanzamt zu deren Vornahme verpflichtet. Ein Ermessen hat es insoweit nicht. Darüber hinaus ist eigentlich jede Änderung der Art und der Zurechnung steuerlich bedeutsam. Das Finanzamt wird bei entsprechenden Änderungen also in jedem Fall einen neuen Feststellungsbescheid erlassen.

Der Grundstückseigentümer muss also grundsätzlich keinen Antrag auf Fortschreibung stellen. Es kann jedoch vorkommen, dass das Finanzamt von den Umständen, die eine Fortschreibung erfordern, noch nichts weiß. Vor allem bei Fortschreibungen zugunsten des Eigentümers kann es deshalb Sinn machen, wenn dieser das Finanzamt auf die geänderten Umstände hinweist.

Praxistipp

Bei gravierenden Änderungen zu ihren Gunsten sollten Eigentümer schon im eigenen Interesse den Kontakt mit dem Finanzamt suchen und diesem die neuen Umstände mitteilen. So vermeidet man, zu viel Grundsteuer zu bezahlen.

Beispiel

Das Grundstück ist mit einem Einfamilienhaus bebaut. Der Grundsteuerwert beträgt 450.000 Euro. Ein Feuer beschädigt das Haus irreparabel, es ist unbewohnbar und muss abgerissen werden. Da sich auf dem Grundstück keine nutzbaren Gebäude mehr befinden, gilt es nun als unbebaut. Der neue Grundsteuerwert liegt bei 90.000 Euro. Der Grundstückseigentümer sollte das Finanzamt baldmöglichst auf die geänderten Werte hinweisen, damit dieses den Feststellungsbescheid zum Grundsteuerwert ändert und er nicht zu viel Grundsteuer zahlen muss.

Wenn ein Fehler passiert: Fortschreibung zur Beseitigung eines Fehlers

Bemerkt das Finanzamt, dass ihm bei der letzten Hauptfeststellung ein Fehler unterlaufen ist, kann es diesen durch eine fehlerbeseitigende Fortschreibung korrigieren (§ 222 Abs. 3 BewG).

Das Gleiche gilt, wenn der Grundbesitzer feststellt, dass sich in den Feststellungsbescheid ein Fehler zu seinen Ungunsten eingeschlichen hat.

Praxistipp

Stellt der Steuerpflichtige fest, dass der Feststellungsbescheid über den Grundsteuerwert fehlerhaft ist, muss er nicht auf eine fehlerbeseitigende Fortschreibung des Finanzamts warten. Er kann selbst aktiv werden und mithilfe eines Einspruchs gegen den Feststellungsbescheid den Fehler korrigieren lassen.

Was aber genau ist ein „Fehler“? Der Begriff des Fehlers ist hier umfassend zu verstehen und meint jede Unrichtigkeit. Das kann eine falsche Tatsachenwürdigung sein, aber auch die unzutreffende Anwendung von Rechtsvorschriften fällt hierunter.

Beispiele für Fehler:

  • falsche Quadratmeterzahl bei der Berechnung der Wohnfläche oder Grundstücksfläche
  • Anwendung des Ertragswertverfahrens statt des Sachwertverfahrens
  • Nichtberücksichtigung eines Förderbescheids nach dem Wohnraumförderungsgesetz
  • Bewertung eines Grundstücks als unbebaut, obwohl es im Feststellungszeitpunkt über benutzbare Gebäude verfügt
  • Nichtbeachten der Tatsache, dass ein Gebäude nicht mehr dem sozialen Wohnungsbau dient
  • das Finanzamt geht irrtümlich von einem Zweifamilienhaus aus, obwohl ein gemischt genutztes Grundstück vorliegt

Beispiel

Für den Grundbesitz liegt ein Förderbescheid nach dem Wohnraumförderungsgesetz vor. Das Finanzamt berücksichtigt diesen jedoch bei der Berechnung des Steuermessbetrags jedoch nicht, sondern wendet die normale Steuermesszahl von 0,31 ‰ an (statt 0,2325 ‰). Durch eine fehlerbeseitigende Fortschreibung kann dies korrigiert werden.

Gut zu wissen:

Urteile von Bundesverfassungsgericht, Bundesgerichtshof, Bundesfinanzhof, Bundesverwaltungsgericht und anderen obersten Gerichten, die nach einer Hauptfeststellung ergehen, darf das Finanzamt nicht als Anlass nehmen, um eine Feststellung im Rahmen einer fehlerbeseitigenden Fortschreibung zu ändern. Insoweit liegt nämlich kein „Fehler“ vor, auch genießt der Grundbesitzer Vertrauensschutz (§ 222 Abs. 3 Satz 3 BewG).

Ab welchem Zeitpunkt sich die Fortschreibungen auswirken: Fortschreibungszeitpunkt

Nach einer Fortschreibung ergeht ein neuer Feststellungsbescheid. Berechnungsgrundlage dafür sind die tatsächlichen Verhältnisse im Fortschreibungszeitpunkt. Zu diesem Stichtag wird dann der neue Grundsteuerwert ermittelt.

Bei einer Fortschreibung ist das normalerweise der Beginn des Kalenderjahres, das auf die Änderung folgt (§ 222 Abs. 4 Satz 3 Nr. 1 BewG). Das bedeutet, dass sich erst zu diesem Zeitpunkt die Änderungen steuerlich auswirken.

Beispiel

Das bebaute Grundstück wird zum 2.5.2026 verkauft. Das Finanzamt nimmt eine Zurechnungsfortschreibung vor, Fortschreibungszeitpunkt ist der 1.1.2027. Das bedeutet, ab 1.1.2027 sind die neuen Grundstückseigentümer die Schuldner der Grundsteuer.

Wird mit der Fortschreibung ein Fehler beseitigt, ist Fortschreibungszeitpunkt der Beginn des Kalenderjahres, in dem der Fehler dem Finanzamt bekannt wird (§ 222 Abs. 4 Satz 3 Nr. 2 BewG).

Ausnahme:

Führt die Beseitigung des Fehlers zu einem höheren Grundsteuerwert, ist Fortschreibungszeitpunkt der Beginn des Kalenderjahres, in dem der Feststellungsbescheid erteilt wird (§ 222 Abs. 4 Satz 3 Nr. 2 BewG).

Beispiel

Bei der Bewertung zum 1.1.2022 unterläuft dem Finanzamt ein Fehler, indem es bei einem Einfamilienhaus eine zu niedrige Grundfläche der Berechnung zugrunde legt. Im Dezember 2025 bemerkt das Finanzamt den Fehler, der geänderte Feststellungsbescheid mit dem höheren Grundsteuerwert ergeht im Februar 2026. Fortschreibungszeitpunkt ist in diesem Fall der 1.1.2026.

Wenn die Grundsteuer erstmals festgesetzt wird: Nachfeststellung

Um Änderungen zwischen zwei Hauptfeststellungen berücksichtigen zu können, gibt es neben der Fortschreibung das Instrument der Nachfeststellung. Damit wird sichergestellt, dass, insbesondere wenn eine „wirtschaftliche Einheit“ neu entsteht, zeitnah ein Feststellungsbescheid erlassen werden kann (§ 223 BewG). Mit „wirtschaftlicher Einheit“ ist hier ein Grundstück gemeint.

Stichtag für die Ermittlung des Grundsteuerwerts ist der Beginn des Kalenderjahres, das auf die Entstehung der wirtschaftlichen Einheit folgt. Das ist der sogenannte Nachfeststellungszeitpunkt (§ 223 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 BewG).

Beispiel

Der Eigentümer eines großen, unbebauten Grundstücks teilt dieses in einzelne Parzellen auf und verkauft diese im Jahr 2025. Die einzelnen Parzellen stellen jeweils eine neue wirtschaftliche Einheit dar, das Finanzamt nimmt diesbezüglich Nachfeststellungen vor. Nachfeststellungszeitpunkt ist der 1.1.2026.

Behält der Verkäufer eine Parzelle für sich, erfolgt insoweit keine Nachfeststellung, sondern eine Wertfortschreibung. Fortschreibungszeitpunkt ist ebenfalls der 1.1.2026.

Kein Fall einer Nachfeststellung liegt dagegen vor, wenn zwei Grundstücke zu einem Grundstück zusammengefasst werden. In diesem Fall nimmt das Finanzamt eine Wertfortschreibung vor.

Wird ein bisher unbebautes Grundstück bebaut, ändert sich die Größe der wirtschaftlichen Einheit dadurch nicht, auch entsteht keine neue wirtschaftliche Einheit, sodass keine Nachfeststellung, sondern eine Artfortschreibung durchzuführen ist.

Beispiel

Hauptfeststellungszeitpunkt ist der 1.1.2022. Zu diesem Termin ist das Grundstück unbebaut. Der Eigentümer erhält demgemäß einen Feststellungsbescheid über ein unbebautes Grundstück. Im Jahr 2025 baut der Eigentümer ein Einfamilienhaus, Fertigstellung Oktober 2025. Das Finanzamt nimmt hier eine Artfortschreibung vor, da sich die Art des Grundstücks von unbebaut in Einfamilienhaus ändert. Fortschreibungszeitpunkt ist der 1.1.2026.

Eine Nachfeststellung kommt nicht in Betracht, da keine neue wirtschaftliche Einheit entsteht.

Dagegen entstehen neue wirtschaftliche Einheiten, wenn zum Beispiel ein Mietwohngrundstück in Wohnungseigentum aufgeteilt wird. Für die neu entstandenen Eigentumswohnungen sind Nachfeststellungen vorzunehmen.

Wenn eine Steuerbefreiung entfällt: Nachfeststellung

Eine Nachfeststellung kommt auch dann in Betracht, wenn für eine bereits bestehende Einheit erstmals Grundsteuer festgesetzt werden soll, zum Beispiel weil eine Grundsteuerbefreiung wegfällt.

Nachfeststellungszeitpunkt ist in diesem Fall der Beginn des Kalenderjahres, in dem der Grundsteuerwert erstmals der Besteuerung zugrunde gelegt wird, d.h. in dem erstmals eine Besteuerung stattfindet.

Beispiel

Ein Gebäude dient bisher als Gemeinschaftsunterkunft der Bundespolizei und ist deshalb von der Grundsteuer befreit (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 GrStG). Ab März 2025 werden die Räume von einem Arzt genutzt, der darin seine Kinderarztpraxis einrichtet und dort auch wohnt. Damit entfällt die bisherige Befreiung von der Grundsteuer, das Finanzamt nimmt für das Gebäude und das Grundstück eine Nachfeststellung vor. Nachfeststellungszeitpunkt ist der 1.1.2025.

Gut zu wissen:

Fällt eine wirtschaftliche Einheit weg, hebt das Finanzamt den Bescheid über den Grundsteuerwert auf. Das gilt auch dann, wenn eine wirtschaftliche Einheit von der Grundsteuerpflicht befreit wird.

Abgrenzung Fortschreibung/Nachfeststellung – unter dem Strich egal

Ob der Grundsteuerwert im Rahmen einer Neufeststellung oder einer Fortschreibung festgesetzt wird, kann dem Grundstückseigentümer letztlich egal sein. In beiden Fällen gilt: Wenn sich zwischen zwei Hauptfeststellungen etwas steuerlich Relevantes ändert, erlässt das Finanzamt einen neuen Bescheid.