In welchen Fällen ein Erlass der Grundsteuer in Betracht kommt

In ganz wenigen Ausnahmefällen kann der Steuerpflichtige einen Erlass in Anspruch nehmen. Allzu große Hoffnungen sollte man sich jedoch nicht machen – die Voraussetzungen sind streng. Für den Einfamilienhaus-Besitzer ist der Erlass deshalb wenig interessant. Eine deutlich größere Bedeutung hat er dagegen für Eigentümer von vermieteten Mehrfamilienhäusern.

Wer ist für den Erlass zuständig?

Für den Erlass ist die Gemeinde zuständig, die die Grundsteuer festsetzt.

Das Finanzamt hat insoweit keine Befugnis, die Besteuerungsgrundlagen niedriger festzusetzen und damit die Grundsteuer niedriger ausfallen zu lassen.

Wann ist ein Erlass möglich?

Die Voraussetzungen für einen Erlass bei einem bebauten Grundstück sind (§ 34 Abs. 1 Satz 1 GrStG):

  1. Der normale Rohertrag ist um mehr als 50 % gemindert.
  2. Der Steuerschuldner hat diese Minderung nicht zu vertreten.

Wichtig:

Kann die Minderung des Ertrags im Rahmen einer Fortschreibung berücksichtigt werden, ist der Erlass ausgeschlossen! Wird also zum Beispiel das Gebäude durch einen Brand unbewohnbar, sollte der Eigentümer auf jeden Fall eine Wertfortschreibung erwirken.

Wie wird der „normale Rohertrag“ ermittelt?

Normaler Rohertrag ist hier die geschätzte übliche Jahresmiete (§ 34 Abs. 1 Satz 3 GrStG). Entscheidend sind die Verhältnisse zu Beginn des Erlasszeitraums – das ist der Beginn des Jahres, für das der Steuerschuldner den Erlass beantragt.

Diese übliche Jahresmiete ist in Anlehnung an die Miete zu ermitteln, die für Räume gleicher oder ähnlicher Art, Lage und Ausstattung regelmäßig gezahlt wird (§ 34 Abs. 1 Satz 4 GrStG).

Die Betriebskosten bleiben insoweit unberücksichtigt (§ 34 Abs. 1 Satz 5 GrStG).

Praxistipp:

Bei der Bewertung des Grundbesitzes nach dem Bundesmodell ermittelt das Finanzamt den jährlichen Rohertrag nach § 254 BewG in Verbindung mit der Anlage 39 zum BewG. Der entsprechende Wert ist meines Erachtens auch im Rahmen des Erlassverfahrens anzusetzen, sodass insoweit die „übliche Jahresmiete“ nicht noch einmal gesondert ermittelt werden muss.

Beispiel:

Das Finanzamt stellt bei der Bewertung eines Mehrfamilienhauses einen jährlichen Rohertrag von 60.000 Euro fest. Um die erste Voraussetzung für einen Erlass der Grundsteuer zu erfüllen, müsste dieser Rohertrag um mehr als 50 %, also um mehr als 30.000 Euro gemindert sein.

Wann hat der Steuerschuldner die Minderung nicht zu vertreten?

Hat der Steuerschuldner selbst durch sein Verhalten oder durch Unterlassen die Ertragsminderung verursacht, hat er sie auch zu vertreten. Das gilt zum Beispiel bei Schäden am Gebäude durch Wasser oder Schimmelbefall, die durch eine Sanierung hätten beseitigt werden können. Kommt es durch die Schäden zu Leerständen, kann der Eigentümer keinen Erlass der Grundsteuer beanspruchen.

Für Umstände, auf die der Steuerschuldner keinen Einfluss hat, muss er dagegen nicht einstehen. Das sind zum Beispiel Überschwemmungen, die ein Haus unbewohnbar machen, oder ein Brand – es sei denn, dieser ist durch defekte Leitungen entstanden, die der Steuerschuldner längst hätte erneuern müssen.

Stehen benutzbare Wohnungen und Räume leer und kommt es dadurch zu einer Ertragsminderung, hat der Vermieter diese in der Regel nicht zu vertreten, wenn er sich nachhaltig um eine Vermietung der Räume bemüht und eine marktgerechte Miete verlangt. Nachhaltig bedeutet zum Beispiel: Beauftragung eines Maklers, wiederholte und regelmäßige Anzeigen in Online- und Printmedien. Bleiben die Räume trotzdem leer, kommt ein Erlass der Grundsteuer in Betracht.

Praxistipp:

Ob der Steuerschuldner die Ertragsminderung zu vertreten hat, muss immer im jeweiligen Einzelfall geprüft werden.

Besonderheiten bei eigengewerblich genutzten bebauten Grundstücken

Ein Grundstück wird eigengewerblich genutzt, wenn derjenige, dem das Grundstück bei der Bewertung zugerechnet wurde, dort selbst eine gewerbliche Tätigkeit ausübt. Ob das Grundstück ein Betriebsgrundstück ist oder ob es im Ertragswert- oder Sachwertverfahren bewertet wurde, spielt dabei keine Rolle.

Voraussetzung für einen Erlass ist auch hier: Der Rohertrag ist um mehr als 50 % gemindert und der Eigentümer hat diese Minderung nicht zu vertreten. Als Minderung des Rohertrags gilt hier die Minderung der Ausnutzung des Grundstücks. Es kann also – räumlich bzw. zeitlich – nicht so ausgenutzt werden, wie dies üblicherweise der Fall ist.

Beispiel:

Ein Autohaus nutzt einen Teil des eigenen Grundstücks, um darauf Gebrauchtwagen auszustellen. Nach heftigen Regenfällen ist der Platz nicht mehr nutzbar und muss neu angelegt werden. Drei Monate dauern die Sanierungsarbeiten. Von Juni bis August kann das Autohaus nur noch 40 % der Grundstücksfläche nutzen.

Normale Ausnutzung: 12 × 100 % = 1.200 %

Geminderte Ausnutzung: 9 × 100 % + 3 × 40 % = 1.020 %

Minderausnutzung: 1.200 % ./. 1.020 % = 180 %, : 12 = 15 %.

Das Autohaus kann keinen Erlass der Grundsteuer beantragen, weil die Minderung nicht mehr als 50 % beträgt, sondern nur 15 %.

Für die Beurteilung einer Minderausnutzung können auch herangezogen werden: Arbeitsstunden, Produktionsausstoß, Produktionsstunden, Bettenbelegung usw.

Jedoch wird – selbst wenn eine Minderausnutzung vorliegt – ein Erlass nur gewährt, wenn „die Einziehung der Grundsteuer nach den wirtschaftlichen Verhältnissen des Betriebs unbillig wäre.“ (§ 34 Abs. 2 Satz 2 GrStG). Dabei kommt es der Gemeinde insbesondere darauf an, wie sich die Ertragslage des Betriebs darstellt, ob er steuerlich einen Gewinn erwirtschaftet oder Verlust macht. Je besser es dem Betrieb geht, desto unwahrscheinlicher wird ein Erlass. Je schlechter es ihm geht, desto wahrscheinlicher hat ein Erlassantrag Erfolg.

Doch selbst wenn ein Verlust vorliegt, reicht dieser allein für einen Erlass nicht aus – denn es kann ja durchaus noch verwertbares Vermögen vorhanden sein, aus dem der Betrieb die Grundsteuer entrichten könnte. Eventuell kann sogar die Aufnahme eines Kredits zumutbar sein.

Wird ein Grundstück nur teilweise eigengewerblich genutzt, ist zu differenzieren: Bei dem eigengewerblich genutzten Teil zählt die Minderung der Ausnutzung, bei dem anderen Teil die Minderung des normalen Rohertrags. Insgesamt betrachtet muss dann aber eine Minderung von mehr als 50 % für das ganze Grundstück vorliegen, nicht nur für einen einzelnen Teil.

Beispiel:

Der Eigentümer nutzt ein Grundstück zu 30 % für private Wohnzwecke und zu 70 % für den eigenen Gewerbebetrieb. Bei diesem ergibt sich eine Minderausnutzung von 50 %. Da die Minderung nur 70 % des Grundstücks betrifft, liegt sie – betrachtet man das ganze Grundstück – insgesamt unter 50 %. Ein Erlass kommt damit nicht infrage.

Wenn die Voraussetzungen erfüllt sind: Wie viel Grundsteuer wird erlassen?

Bei einer Minderung des Rohertrags um mehr als 50 % erlässt die Gemeinde 25 % der Grundsteuer.

Beträgt die Minderung 100 %, werden 50 % der Grundsteuer erlassen.

Das bedeutet: Selbst wenn das Gebäude leer steht und keinen Ertrag bringt, muss der Eigentümer trotzdem noch 50 % der Grundsteuer bezahlen.

Bis wann muss der Antrag gestellt werden?

Der Erlass kann erst nach Ablauf eines Kalenderjahres bewilligt werden – denn erst dann kann der Eigentümer bzw. die Gemeinde verlässlich ermitteln, wie hoch die Ertragsminderung ausfällt.

Der Eigentümer hat dann bis zum 31.3. des folgenden Jahres Zeit, den Antrag auf Erlass zu stellen (§ 35 GrStG).

Beispiel:

Der Eigentümer möchte für das Jahr 2023 einen Erlass beantragen. Der Antrag muss bis zum 31.3.2024 bei der Gemeinde eingehen.

Erlass oder Fortschreibung – oder beides?

Ein Steuererlass klingt verlockend und verspricht eine schöne Steuerersparnis von bis zu 50 %. Doch tatsächlich kann man als Eigentümer in vielen Fällen mit einer Fortschreibung mehr erreichen – dadurch kann nämlich der Grundsteuerwert dauerhaft sinken. Das ist vor allem dann interessant, wenn ein Gebäude komplett zerstört ist und so schnell nicht wieder hergerichtet werden kann bzw. ein Neubau Zeit braucht. Am besten fährt der Eigentümer hier zweigleisig und beantragt zum einen den Erlass und erwirkt zum anderen die Fortschreibung. Doppelt hält besser!